Unser Weltbild – Teil 1
Dinge, die dem eigenen Weltbild nicht entsprechen, werden in den ersten Anläufen nur sehr schwer verstanden. Ich war 16 Jahre in einem Job tätig, der mich durch ganz Deutschland geführt hat. Es gab nur ein paar wenige Flecken im Saarland und in Mecklenburg-Vorpommern, die ich nicht zu Gesicht bekommen hatte. Wenn ich Menschen kennenlernte und dann aussagte : “Ich habe ganz Deutschland gesehen”, war das oft, als hätte ich was von einer Marslandung verkündet. Soziologen sprechen in solch einer Situation etwas provokativ : “Sie WOLLEN das gar nicht verstehen”. Warum ist das so? Nun, wir sprachen des Öfteren schon über die immer gleichen Vorgänge in der menschlichen Psyche. In diesem Fall steht der Mechanismus des Willens hier im Vordergrund und wird NICHT aktiviert. Die Funktion, die wir einschalten, wenn wir etwas erreichen oder haben wollen, fehlt hier. Auch wenn die Aussage an sich verstanden wird (wenn man die Menschen fragt, was man eben gesagt hat, antworten sie korrekt), nehmen sie dieses Faktum nicht in ihr Inneres auf. Würde man es verstehen WOLLEN, würde im nächsten Schritt vielleicht gefragt : “Wie ist das denn zustande gekommen?” oder “Dann kannst du mir ja bestimmt zeigen, wo es schön ist.” – wie auch immer. Was denkt ihr, welche Reaktion die Häufigste war? Genau, die Frage : “Warst du denn auch in …..” und dann kam eine der Metropolen wie Dresden oder Hamburg oder München, die natürlich – wenn man das gesamte Land gesehen hat – ganz sicher mit auf der Agenda standen. Hieran sieht man wunderbar, dass es bei der persönlichen Sichtweise primär nie um Fakten geht, sondern um Emotionen, die mit dem eigenen Weltbild in Zusammenhang stehen. Werden diese Emotionen konterkariert, “blockt” der Mensch ab.
Lasst uns schauen, woher wir diesen Umstand kennen. Ein Jugendlicher lebt mit seiner alleinerziehenden Mutter und seiner Schwester in einem Haushalt. Die Mutter muss arbeiten, sich um zwei Kinder kümmern, den Haushalt schmeißen, usw. Der Umstand an sich ist für den Jugendlichen glasklar. Auch dass es in einer Familie regeln geben und der Jugendliche diese befolgen und sich an den anfallenden Arbeiten beteiligen muss, ist absolut verständlich. Der Jugendliche weiß auch, dass er selbst keinen Besuch empfangen möchte, wenn die Bude ausschaut wie eine Müllhalde. Ich denke, wir müssen nicht darüber diskutieren, dass der WILLE, unaufgefordert an der Sauberkeit der Wohnung zu arbeiten, selten vorhanden ist. Die Mutter wird nicht nur einmal auffordern und erklären müssen.
Überlegt selbst einmal. Uns allen passiert es im Alltag, dass wir einfache Dinge zunächst für total unwahrscheinlich halten, sie beim ruhigen Durchdenken aber plötzlich doch transparent wirken. Durchdenken wir sie nicht, bleiben sie im Unterbewusstsein unwahrscheinlich bis unmöglich. Da wir nicht den ganzen Tag auf 100% Denk-Power fahren, entgeht uns hier oft die Realität. Das passiert uns unzählige Mal, so dass unser Weltbild immer verschoben sein wird. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man “eigene Maßstäbe” ansetzt.
„Wo ein Wille ist, ist ein Weg“ (Jennifer Speake (Oxford/GB), 1822)